Über Wein aus dem Piemont
Das Piemont steht vor allem synonym für großen italienischen Rotwein. Doch nicht nur Nebbiolo (und die daraus entstehenden Barolo und Barbaresco) wächst hier. Fast die Hälfte der insgesamt etwa 55.000 Hektar umfassenden Rebfläche ist mit Barbera Rebstöcken bepflanzt. Ergiebige Erträge und Farbintensität waren in der Vergangenheit meist wichtiger als Spitzenqualitäten, was auch Grund für die einstige Popularität des Dolcettos war, einer weiteren stark verbreiteten roten Sorte im Piemont. Auch aus ihr werden jedoch mittlerweile mitunter sehr hohe Qualitäten gekitzelt.
Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, ob etruskische oder griechische Einwanderer den Weinbau in die Region brachten. Fakt ist, dass Weinbau hier eine lange zurückreichende Tradition hat, und ab dem 19. Jahrhundert erste Versuche in Richtung trockener, großer Rotweine Erfolge aufwiesen: In Grinzane bei Alba entstand um 1850 der Barolo.
Auch Schaumwein hat im Piemont eine lange Tradition und große Bedeutung: Die Anbaugebiete Asti & Monferrato liefern eine Jahresproduktion von ca. 80 Millionen Flaschen lieblichen Schaumweins aus der Moscato Bianco.
Einige weiße Weine werden hier ebenfalls produziert: Während Gavi und Arneis die meistkultivierten sind, bringen Timorasso oder auch die Nascetta immer öfter komplexe Weine hervor.
Florale Feinheiten aus dem Norden
Nichtsdestotrotz ist das Piemont Rotweinland. An den Ausläufern des Monte-Rosa-Massivs liegen die nördlichen Anbaugebiete des Piemont: Gattinara und Ghemme sind die bekanntesten, dazu gesellen sich Boca, Bramaterra, Coste della Sesia, Lessona, Sizzano, Fara sowie Colline Novaresi. Nebbiolo (hier auch Spanna bzw. Picutener genannt) spielt die Hauptrolle, daneben werden unter anderem Vespolina und Bonarda kultiviert. Die Weine können ähnliche Struktur und Lebensdauer wie der Barolo besitzen, kommen jedoch meist etwas floraler und leichter daher. Duftig, elegant, mit vorherrschenden Noten von Rosen und Teer, merkt man ihnen ihren alpennahen Charakter teils deutlich an, denn sie wirken oft weniger erdig und etwas kühler als ihre weiter südlich wachsenden Verwandten.
Die Langhe, Epizentrum des Nebbiolo
Die eigentlichen Stars des Piemont kommen aus der Langhe, obwohl mengenmäßig im Kontext des Piemont fast bedeutungslos: Aus der Nebbiolo-Traube gekelterte Barolo und Barbaresco sind Sinnbild der Region, und gehören zweifelsohne zu den größten Rotweinen Italiens und der Welt. Die spät reifende, sehr anspruchsvolle Nebbiolo-Traube macht es dem Winzer nicht leicht. Er benötigte seit jeher die allerbesten Südhanglagen und bereitete oft mehr Kopfschmerzen als Ertrag. Doch wie es so oft ist mit den schönen Dingen auf dieser Welt: sie müssen hart erkämpft werden, sind aber durch nichts zu ersetzen.
Auf dem Kalkmergel um die Dörfer Barolo und Serralunga d’Alba wächst Nebbiolo zu wahrer Größe heran. Während die Böden um Barolo fruchtbarer und kompakter sind, und die Weine im Schnitt dadurch einen eleganteren, runderen und zugänglicheren Charakter erhalten, entstehen auf den kärgeren und mehr von Sand durchsetzten Böden um Serralunga intensivere, kantigere und langlebigere Weine. Großer Nebbiolo aus der Langhe entfaltet nach Jahren der Reife ein schier unglaubliches Aromenspektrum, das von erdig und dunkelwürzig, über Teer und Asphalt zu explosiver Schwarzkirsche und schließlich floralen, blumigen und ätherischen Noten reicht.
Zwei Schulen, eine Erfolgsgeschichte
Durch die traditionell sehr lange Maischestandzeit besitzt der Wein ein gewaltiges Tanningerüst, das über viele Jahre langsam abgebaut werden muss, um schließlich eine burgundische Feinheit und Finesse zu entwickeln. Während die traditionelle Piemonteser Weinbereitung mit langer Maischestandzeit von ca. 4 bis 5 Wochen und Ausbau in großem Holz arbeitet, hat bei vielen Winzern seit den 1980er Jahren eine Hinwendung zu Neuholz, Barrique und kurzer Mazeration stattgefunden. Mehr Fokus auf frühe Zugänglichkeit und große Emphasis auf die Frucht sind hier Ziel und Ergebnis. Traditionalisten und Modernisten, wie die früher verfeindeten Lager genannt werden, sind heutzutage gleichermaßen erfolgreich in ihrem Schaffen und haben ihren Teil dazu beigetragen, den Nebbiolo mit an die Spitze der italienischen Rotweine zu führen.
Die besten Barolos und Barbarescos zeichnen sich durch enorme Aromenvielfalt und Kraft, Tiefe und Würze einerseits, raffinierte Feinheit, samtige Textur und in sich ruhende Eleganz andererseits aus. Sie gehören zu den strukturiertesten, alterungsfähigsten und charaktervollsten Weinen Italiens und der ganzen Welt.